Samstag, 21. Januar 2012
Die Ärzte für Naturheilverfahren
Das Medikament "Contergan" verursachte in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland eine Tragödie apokalyptischen Ausmaßes. Etliche tausend Säuglinge, deren Mütter in der Schwangerschaft dieses chemische Beruhigungs- und Anti-Übelkeitsmittel eingenommen hatten, kamen mit grauenhaften Fehlbildungen oder sogar dem Fehlen von Gliedmaßen und Organen auf die Welt. Niemand konnte diese Katastrophe voraussehen. "Contergan" galt damals als besonders verträglich und nebenwirkungsarm. es war die modernste Generation einer langen Reihe chemischer Sedativa, in mehreren Jahren Forschung kritisch und nach wissenschaftlichen Maßstäben gründlich geprüft, im Tier- und Menschenversuch ausreichend erprobt. Es waren allerdings aus humanitären Gründen unter den menschlichen Probanden keine schwangeren Frauen, unter den Versuchstieren keine trächtigen Ratten, das sollte sich später als verhängnisvoll herausstellen. - "Contergan" bewirkte damals in Deutschland ein Umdenken, vor allem in der Bevölkerung. Der logische Schluss lag nahe, dass dieses Fiasko mit Baldrian, Passiflora, Hopfen, Melisse und anderen sedierenden Heilpflanzen nicht vorgekommen wäre. Die zweite Folgerung war, dass möglicherweise alle naturfremden, synthetisch erzeugten Medikamente ein unkalkulierbares Risiko bergen. Auch der Staat reagierte, die Forschung wurde angewiesen, neue Medikamente mit noch ausgeklügelteren und umfangreicheren Tierversuchen und Testreihen an Kliniken abzusichern. Die zweite Novität betraf die Begleitzettel der Medikamente. Hier musste der Patient noch ausführlicher als bisher über alle nur möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt werden, um die Möglichkeit zu besitzen, sich für oder gegen das Medikament zu entscheiden. - Der ausdrückliche Wunsch der Bevölkerung nach biologischen Heilmethoden zwang auch die Ärzte zu einem Umdenken. Sie interessierten sich nun für Alternativen und wurden dazu auch von ihren Berufsverbänden animiert. Ärzte tauchten nun immer öfter in den Seminaren der Heilpraktiker für Phytotherapie, Komplexhomöopathie, Augendiagnostik, Akupunktur, Chiropraktik und Reflexzonenbehandlungen auf, bis sich dann später eigene Schnell-Ausbildungsstätten für Ärzte gründen konnten. Heute ist es selbstverständlich, dass Allgemein-und Fachärzte Chiropraktik, Magnetfeldbehandlung, Akupunktur, Neural- und orthomolekulare Therapie sowie petechiale Saugmassage anbieten. Der Knackpunkt ist nur, dass es für Pflichtversicherte diese Therapien auch vom Arzt nicht zum Nulltarif gibt. Es übernehmen zwar außer den Privatkassen einige Ortskranken- und Ersatzkassen wenigstens auf Kulanzbasis einige dieser Heilverfahren, doch die jeweiligen Bewilligungen sind durch viele Einschränkungen begrenzt. Noch schlechter sieht es mit den Verordnungen von Biomedizin aus. Muss der Patient schon freiverkäufliche allopathische Medizin aus eigener Tasche berappen, dann erst recht, wenn ihm sein Naturheilarzt eine pflanzliche Spezialität, ein Schüsslersalz oder gar ein Homöopathikum empfiehlt. Die entscheidende Frage ist aber, ob der Arzt, dem auf der Universität ein materialistisches Weltbild vermittelt wurde, auf die völlig konträre Betrachtungsweise der Naturheilkunde umschalten kann, ob er gewillt ist, Darwin, Freud, Virchow durch Paracelsus, Hahnemann und Hildegard von Bingen zu ersetzen.
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